(571) Fehlende Kontinuität in der Führungsspitze

Kontinuität in der Führungsspitze ist wichtig, auch wenn der eine oder andere mit dem Boss vielleicht nicht immer einverstanden ist. Angela Merkel ist seit 2005 Bundeskanzlerin. Zum Vergleich: Der Hamburger Spott-Verein hat in diesen Zeitraum von 16 Jahren gerade Trainer Nummer 23 verpflichtet – wobei Bruno Labbadia und Rodolfo Cardoso jeweils zweimal im Amt waren. Kopfball-Ungeheuer Horst Hrubesch, 1980 im EM-Finale gegen Belgien (2:1) zweifacher Torschütze, soll die Hanseaten nach fünf sieglosen Spielen hintereinander doch noch auf direktem Weg zurück in die 1. Liga führen – aktuell ist der HSV mit fünf Punkten Rückstand auf die Spvgg. Greuther Fürth Dritter. Der Vierte Holstein Kiel hat bei zwei Zählern Rückstand auf die Hamburger allerdings drei Spiele weniger absolviert.

Aber eigentlich wollte ich gar nicht mit Blick auf die Hamburger auf die Kontinuität in der Führungsspitze zu schreiben kommen – der Trainerwechsel passte jetzt nur zufällig zum Thema. Denn Kontinuität an der Spitze fehlt aktuell auch dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). War Dr. Theo Zwanziger (2004 bis 2012) noch acht Jahre im Amt, wurden die Amtszeiten zuletzt immer kürzer. Wolfgang Niersbach (2012 bis 2015), Reinhard Grindel (2016 bis 2019) und seit 2019 Fritz Keller.

Viel schlimmer: Zwanziger, Niersbach und Grindel traten jeweils vor dem eigentlichen Ende ihrer Amtsperiode zurück. Zwanziger – der Spiegel sprach einst vom „Ende einer Ego-Ära“ – gab am Ende keine gute Figur mehr ab, viele Neben-Schauplätze (Steuerhinterziehung durch Schiedsrichter, Probleme mit Ultra-Gruppen, Amerell/Kempter-Affäre) brachten ihn zunehmend ins Wanken. Für Niersbach bedeutete die Affäre um die Vergabe der WM 2006 das vorzeitige Aus, bei Grindel waren es ein desaströses Arbeitsklima, Nebeneinkünfte und letztlich die Annahme einer Goldenen Uhr als Geschenk.

Und auch beim aktuellen DFB-Boss Fritz Keller dürfte der Rücktritt nur noch eine Frage von Stunden sein. Keller, nach außen ohnehin nicht sonderlich charismatisch, hatte seinen Vize Rainer Koch kürzlich mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen.

96 Prozent aller Deutschen wissen wahrscheinlich nicht einmal, wer Freisler war. Abgesehen davon ist eine solche Äußerung völlig inakzeptabel – und kann nur einen Rücktritt Kellers zur Folge haben. Und auch dann bleiben Fragen offen. Man kann hinter verschlossenen Türen auch einmal lautstark und emotional diskutieren – aber so einen Spruch rauszuhauen, ist schon mehr als heftig. Auch wenn Keller laut Sportschau schon zu Zeiten als Präsident beim SC Freiburg für seine cholerische Ader bekannt war. Der Badener, der sich von Beginn an in diesem Amt sehr schwer tat, ist als DFB-Boss eine Fehlbesetzung. Sein Nachfolger muss nun endlich wieder Kontinuität in die Führungsspitze bringen.

(piste)