(573) EM ist vorbei

Die Fußball-Europameisterschaft 2020 ist vorbei – mit einjähriger Verspätung. Das alleine schon ist grotesk. Und das beim Finale und einem aktuellen Inzidenzwert von 300 in England 65.000 Menschen dicht an dicht im Londoner Wembley-Stadion stehen, muss man nicht verstehen. Aber das nur am Rande.

Europameister wurde Italien, zum zweiten Mal nach 1968. Meinen Glückwunsch. Und ja, ich habe tatsächlich im Endspiel für die Italiener gehalten – sie waren das kleinere Übel. Warum? Nach der Schwalbe von Ciro Immobile im Spiel gegen Belgien waren die Italiener für mich raus. Von wegen Vorbild und so. Pfui! Und ich muss es wieder den F-Junioren erklären. Aber der Weltkriegs-Vergleich von Englands Nationaltrainer Gareth Southgate im Zusammenhang mit dem Deutschland-Spiel hat das ganze noch deutlich übertroffen. Wenn der englische Fußball-Verband Charakter hätte, würde er seinem Nationaltrainer den Rücktritt nahe legen.

Southgate. Er hat tatsächlich zum zweiten Mal bei einer EM ein Elfmeterschießen vergeigt. 1996 als Schütze, nun als Trainer. 1996? Genau, da scheiterte er im Halbfinale am deutschen Torhüter Andy Köpke – Deutschland zog in das Finale ein und wurde schließlich Europameister. Und nun? 2021? In der 119. Minute des Finales gegen Italien wechselte er mit Blick auf das Elfmeterschießen die beiden Youngsters Marcus Rashford und Jadon Sancho ein, die beide im bisherigen Turnierverlauf überhaupt keine Rolle gespielt hatten. Und diese beiden sollten England nun zum Titel schießen. Ohne Selbstvertrauen, ohne Wertschätzung. Da war es fast klar, dass beide verschießen würden. Und Southgate hat es erneut verpatzt. Ganz ehrlich? Wer solche Sprüche raus haut, hat es nicht anders verdient, da habe ich kein Mitleid. Zumindest nicht mit dem Trainer. Mit der jungen englischen Mannschaft schon. Die Briten haben sich im Laufe des Turniers gesteigert, die erste Hälfte gegen Italien war bärenstark. Aber die Südeuropäer waren am Ende einfach besser.

Und Deutschland hatte ja auch mitgespielt – zumindest bis zum Achtelfinale – das hatte ich schon wieder vergessen. Nach dem Aus von Jogi Löw beginnen die Umbauarbeiten im Team. Toni Kroos spielt nicht mehr für die Nationalmannschaft. Das kann ich verkraften, ich habe ihn schon 2018 kräftig kritisiert, er ist nun Mal auf dem Platz keine Führungspersönlichkeit. Ob Joshua Kimmich nach rechts oder ins Mittelfeld gehört, wird nun Hansi Flick entscheiden – ich tippe Mal auf‘s Mittelfeld. Fakt ist: Deutschland hat keinen Mittelstürmer. Keinen Gerd Müller, keinen Hrubesch, keinen Fischer, keinen Völler, keinen Klinsmann, keinen Riedle, keinen Klose. Wer sind denn die Torjäger unserer Tobklubs? Lewandowski (Polen) in München, Haaland (Norwegen) in Dortmund, Kramaric (Kroatien) in Hoffenheim, Silva (Portugal) in Frankfurt, Plea (Frankreich) in Mönchengladbach). Deutsche Angreifer? Fehlanzeige. Der arme Hansi Flick ist in seiner Arbeit nicht zu beneiden.

Das nächste Großereignis ist 2022 in Katar. Da, wo Menschenrechte keine große Rolle spielen, die Arbeitsbedingungen katastrophal sind (über 6500 Tote beim Bau der WM-Stadien). Aber: die Kohle stimmt. Dieser Meinung ist auch der DFB, der mit Qatar Airways als neuen Sponsor verhandelt. Da kommt neben der sportlichen Bruchlandung nun auch noch eine gesellschaftliche hinzu. Traurig. Nicht mal Deutschland sollte man als deutscher Fußballfan die Daumen drücken.

(piste)